Beginnen wir das Thema mit einer wahren Geschichte:
„Der Gründer der „Arche“, einer christlichen Lebensgemeinschaft mit behinderten Menschen, wurde von Papst Johannes Paul II. für sein Lebenswerk geehrt. Am Ende der Feier half der Geehrte dem gehbehinderten Papst aus dem Stuhl. Er führte ihn zu seiner Gruppe, und der Papst begrüßte jeden Behinderten persönlich. Dann verabschiedete er sich. An der Tür hielt der Papst einen Moment inne, drehte sich um und rief den behinderten Menschen zu: „Führt die Kirche ins dritte Jahrtausend.“ (Zitiert nach Bischof Franz Kamphaus, Brief des Bischofs an die Gemeinden im Bistum Limburg zur Österlichen Bußzeit 2002)
Der evangelische Pfarrer Ulrich Bach, seit dem 23. Lebensjahr an den Rollstuhl gefesselt, sagt: „Eine Gemeinde ohne Behinderte ist eine behinderte Gemeinde“.
Eine für behinderte Menschen und ihre Angehörigen offene Pfarrgemeinde muss auf allen Ebenen barrierefrei werden, sowohl ganz praktisch, was etwa Baumaßnahmen erfordern könnte, bis hin zu Grundeinstellungen und den Barrieren im Kopf. Jesus selbst, so berichtet die Heilige Schrift, hatte immer wieder mit Menschen zu tun, die in der Teilhabe am Leben eingeschränkt waren. Es ist von Blinden und Lahmen, von chronisch Kranken und von am Leben Ausgeschlossenen die Rede. Jesus zeigt aber auch den scheinbar Gesunden ihre Grenzen und Barrieren, ihre Abhängigkeit von anderen und letztlich von Gott.
Wenn eine Gemeinde über ihren Umgang mit Menschen mit Behinderung nachdenkt, sollten zwei Zielrichtungen beachtet werden:
1. Es muss um die Teilhabe-Möglichkeiten aller am Gemeindeleben gehen. Dazu gehören beispielsweise behindertengerechte Zugänge in Gemeinderäume, gegebenenfalls Induktionsschleifen für Hörgeräte, geeignete Parkplätze in Kirchen- und Gemeindezentrumsnähe oder Texte in einfacher Sprache. Dazu ist es gut, bei Planungen in Kirchenverwaltung oder Pfarrgemeinderat, Menschen mit entsprechender Behinderung auch anzuhören.
2. Es muss überlegt werden, welche diakonischen Angebote nötig sind. Das können geeignete Räume für eine Angehörigengruppe, ein Kurs für pflegende Angehörige, ein Fahrdienst für Gehbehinderte zu Gottesdiensten und Veranstaltungen, der Kontakt zu den professionellen Einrichtungen der Caritas oder anderer Träger der Behindertenhilfe in der Pfarrei sein.
Vor all diesen Maßnahmen muss in den Pfarreien ein Klima geschaffen werden, in dem Menschen mit Handicap willkommen sind. Es kann eine Herausforderung sein, den Gottesdienst gemeinsam mit Mehrfachbehinderten zu begehen. Es kann Geduld erfordern oder einfach nur Offenheit und Phantasie, behinderte Menschen auch aktiv in Dienste und Ehrenämter einzubinden. Der Umgang mit Behinderten ist oft ungewohnt und verunsichert Menschen. Hilfen dazu bieten auch die Behindertenseelsorger an, die es in fast allen deutschen Diözesen gibt. Sie sind ausgebildet in der pastoralen Arbeit beispielsweise mit Gehörlosen, Blinden oder geistig behinderten Menschen und deren Angehörigen.
Links zum Thema:
http://www.behindertenpastoral-dbk.de/c_publikation/04_pdf/behinderung_und_pastoral18.pdf
Liste der Behindertenseelsorge als Ansprechpartner für Pfarrgemeinderäte in den Bistümern: http://www.behindertenpastoral-dbk.de/
Eine Checkliste und eine Handreichung mit konkreten, praktischen Hinweisen zum Thema „Menschen mit Behinderung in Pfarrgemeinden“ unter „Materialien“.
Thomas Jablowsky
Ehem. Referent beim Landeskomitee der Katholiken in Bayern