In sechs Grundsatzartikeln werden im Buch biblische, historische und rechtliche Bezüge heutiger Pfarrgemeinderatsarbeit dargestellt, hier eine Leseprobe:
Lokal, lustvoll, lebensnah
Pfarrgemeinderäte zwischen Herein- und Herausforderungen
Von Dr. Bernhard Spielberg
Wollte man die Aufgabe der Pfarrgemeinderäte auf eine Kurzformel bringen, sie könnte lauten: Pfarrgemeinderäte tragen die Verantwortung dafür, dass die Kirche vor Ort am Leben bleibt. Diese zutiefst pastorale Aufgabe ist nicht erst angesichts der Sparzwänge und Strukturprozesse der Diözesen wichtig. Sondern vor allem, weil die Pfarrgemeinden diejenigen Orte der Kirche sind, an denen die so genannte „Exkulturation“ besonders zu spüren ist: Die wachsende Distanz zwischen der kirchlichen Praxis einerseits und dem Leben eines großen Teils der Menschen andererseits. Anders gesagt: Viele „Pfarrfamilien“ gleichen mittlerweile anderen in die Jahre gekommenen Familien: Die Kinder sind aus dem Haus, man sieht sich nur noch zu Ostern und Weihnachten. Und was die Enkelkinder machen, versteht man nicht mehr so genau: Die haben alle ihr eigenes Leben.
Ob die Kirche vor Ort am Leben bleibt, entscheidet sich also nur vordergründig an Strukturfragen. So wichtig die Debatten um den eigenen Pfarrer, das eigene Pfarrhaus und die eigene Pfarrpfründestiftung auch sind: Letztlich wird die Kirche vor Ort am Leben bleiben, wenn sie – buchstäblich – am Leben (dran-)bleibt. Und zwar am Leben der Menschen. Damit das gelingt, sind Experten für lokales Kirchesein gefragt. Das sind keine hochspezialisierten Theologen mit einer Festplatte voller beeindruckender Präsentationen. Die braucht es zeitweise auch. Die Experten für die Kirche vor Ort sind aber diejenigen, die an einem Ort leben und Verantwortung für diesen Ort und die Kirche dort übernehmen wollen. Genau das sind die Pfarrgemeinderäte. Für ihre Arbeit sind die folgenden fünf Unterscheidungen gedacht. Sie können helfen, den Blick für die aktuellen Herausforderungen zu schärfen und wollen ermutigen, als Gremium neue Wege zu gehen.
Hereinforderungen oder Herausforderungen?
Die größten Herausforderungen an Pfarreien sind gegenwärtig eigentlich „Hereinforderungen“. Die unzähligen Entscheidungen, die vor Ort im Zuge von Strukturentwicklungsprozessen zu treffen sind, verlocken nämlich gerade nicht zum Blick über den eigenen Kirchturm. Vielmehr zwingen sie zur Auseinandersetzung mit der gemeindlichen Innenarchitektur: Wo wird der Pfarrer wohnen? Wo wird die Christmette stattfinden? Welches Pfarrbüro bleibt erhalten? Die Auseinandersetzung um diese Binnenprobleme bindet enorme Kräfte.
Die tatsächlichen Herausforderungen an die Kirche vor Ort werden auf diese Weise ausgeblendet. Wesentlich fundmentaler als der Mangel an Personal und Geld ist nämlich die wachsende Distanz der Kirche zum Leben der Menschen von heute, insbesondere zu denen unter sechzig und den materiell Armen. Das macht schon ein kurzer Blick in die einschlägigen Milieustudien deutlich. Konkret wissen zum Beispiel nur wenige Pfarrgemeinderäte, wie viele Menschen in ihrem Ort von Hartz IV leben, welche lokalen Bands gerade von Jugendlichen favorisiert werden oder wie es in der Gemeinschaftsunterkunft der Asylbewerber aussieht. Wer in dieser Situation überkommene Strukturen bewahrt, setzt die gesellschaftliche Selbstabschließung fort. Strukturen sind ohne Zweifel wichtig. Sie sind aber kein Selbstzweck, sondern stehen im Dienst einer Aufgabe. So wie es das Diktum der Bauhaus-Architektur auf den Punkt bringt: Form follows function – Die Form folgt der Funktion. Auch in der Kirche. Deshalb sind Strukturfragen auch im Pfarrgemeinderat von Bedeutung. Ihre Beantwortung kann jedoch nur von denen her gelingen, für die die Kirche da ist. Bevor man sich also in die Debatten um die Inneneinrichtung verwickeln lässt, gilt es, sich herauslocken zu lassen und die Orte von „Freude (!) und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute“ (GS 1) aufzusuchen. Das sind z. B. die Krankenhäuser und Kindergärten, die Schulen und Sozialstationen, die Galerien und Geschäfte, Büros und Bistros. Hier lässt sich erfahren, was Menschen bewegt. Hier kann man den von Klaus Hemmerle formulierten Perspektivenwechsel einüben, … (weiter im „Handbuch Pfarrgemeinderat“ auf Seite 76)
Besuchsdienst
Ehrenamtliche besuchen regelmäßig Menschen in der Pfarrei, die aufgrund von Alter oder Behinderung alleine sind und sich Gesellschaft wünschen. Die oder der Ehrenamtliche besucht immer dieselbe Person, so kann eine Beziehung wachsen. Der Besuchsdienst unterscheidet sich vom Geburtstagsbesuchsdienst, der nur einmal im Jahr einen Gruß der Pfarrei überbringt. Besucht werden einsame Menschen zu Hause oder im Alten-/Pflegeheim. Der Besuchsdienst übernimmt weder hauswirtschaftliche noch pflegerische Aufgaben. Er versteht sich als Ergänzung zu einem evtl. vorhandenen Pflegedienst. Diese Abgrenzung ist wichtig zum Schutz der Ehrenamtlichen, damit sie nicht von Senioren oder deren Angehörigen zu Pflege oder Hausarbeit überredet werden. Ebenso vermittelt diese Abgrenzung dem Pflegedienst, dass der Besuchsdienst sich nicht in dessen Arbeit einmischen möchte und fördert so das Vertrauen zwischen beiden Diensten. Die Ehrenamtlichen bringen die Zeit für Gespräche mit, die dem Pflegepersonal oft nicht bleibt. Ebenso ermöglichen die Ehrenamtlichen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch gemeinsames Einkaufen, Spaziergänge, Kirch- und Friedhofsbesuche.
Die Ehrenamtlichen regeln keine Finanzangelegenheiten und übernehmen keine gesetzliche Betreuung, z. B. in Form von Vorsorgevollmachten.
Für den Besuchsdienst ist eine Leiterin/ein Leiter sehr wichtig. Die Leitung macht den Besuchsdienst in der Pfarrei bekannt, spricht Interessierte an, vermittelt den Senioren und anderen Bedürftigen einen Ehrenamtlichen für Besuche, organisiert monatlich oder alle zwei Monate ein Treffen für den Erfahrungsaustausch der Ehrenamtlichen.
Ein Besuchsdienst ist ein Angebot für Ehrenamtliche, sich regelmäßig, aber den persönlichen Zeitvorstellungen entsprechend, in der Gemeinde einzubringen. Besuchsdienst kann grundsätzlich jeder Interessierte jeden Alters sein, der für die Begleitung bedürftiger Menschen geeignet ist. Ein Pfarrei-Besuchsdienst wendet sich ebenfalls an Menschen, die schon jetzt in Eigenregie Besuche tätigen und keinen Erfahrungsaustausch und keinen Rückhalt in einer Gruppe haben.
Ein Besuchsdienst setzt keine besondere Ausbildung voraus. Es hat sich jedoch bewährt, wenn die Ehrenamtlichen ihr Erste-Hilfe-Wissen z. B. in einem Kurs beim Malteser Hilfsdienst, auffrischen. Kreisbildungswerke, katholische Verbände wie etwa KDFB, Kolping und Caritas bieten Fortbildungen für den Umgang mit Betreuten an (z. B. Kompetenz im Alter). > Versicherung
Jan Phillip Gerhartz
Blog
Kunstwort aus den Wörtern Web und Logbuch. Es handelt sich um eine Art Internetseite, die in Form eines Tagebuches geführt wird. Es geht dabei vor allem um persönlich gefärbte aktuelle Meldungen. Dementsprechend erscheint der aktuelle Artikel (engl. Post) immer an oberster Stelle, während ältere Artikel auf der Seite nach unten wandern. Um ältere Artikel wieder auffindbar zu machen gibt es zwei Funktionen: Das Archiv und die Tags. Tags sind Schlagworte, mit denen man einzelnen Artikel markieren kann. Klickt man auf einen Tag, erhält man chronologisch geordnet alle Artikel, denen man diesen Tag zugeordnet hat. Technisch handelt es sich bei Blogs um CMS (Content-Management-System > Homepage). WordPress und Blogger sind die bekanntesten Systeme. Ein Blog kann entweder themenspezifisch eingesetzt werden, oder aber auch sehr auf die Person des Autors fixiert sein. Dabei zeigt sich die Grundidee des Tagebuches sehr deutlich. Es geht in erster Linie um die Authentizität des Autors. Viele Priester und Laien bloggen, weshalb sich der Begriff der Blogozese (Kunstwort aus Blog und Diözese) herausgebildet hat. Er beschreibt die Gesamtheit der katholischen Blogs im Internet. Für den Pfarrgemeinderat bietet sich die Möglichkeit, einen Blog statt einer Webseite zu betreiben, da ein Blog sehr aktuell und sehr fokussiert ist.
Jeder Artikel kann in der Regel kommentiert werden. Durch die Kommentarfunktion entwickelt sich unter Umständen ein Rückmeldekanal der Lesergemeinde. Damit sind Blogs per se offener für Rückmeldungen der Leser. Auf der anderen Seite muss der Betreiber auf die veröffentlichten Inhalte achten, ob sie eigenen Interessen zuwider laufen. Viele Projekte oder Kampagnen werden online mit einem Blog begleitet, da er einfach zu pflegen, aktuell und auf Rückmeldungen ausgelegt ist.
Jürgen Pelzer
Liturgie
Der Sachausschuss Liturgie ist ein Organ des Pfarrgemeinderates. Vom Sachausschuss Liturgie zu unterscheiden sind gegebenenfalls vorhandene Vorbereitungsgruppen für Kinder-, Jugend-, Familiengottesdienste usw.
Einen Sachausschuss Liturgie braucht man, damit alle, die für den Gottesdienst einer Gemeinde Verantwortung tragen, den ihnen zukommenden Beitrag einbringen und miteinander abstimmen können. Entsprechend dem Liturgiebegriff des Zweiten Vatikanischen Konzils ist die ganze Gemeinde Trägerin der Liturgie. Das findet seinen Ausdruck in den unterschiedlichen Diensten und Zuständigkeiten jener Personen, die haupt-, neben- oder ehrenamtlich in der Liturgie tätig werden. Ihr Zusammenwirken bedarf der Koordinierung.
Der Sachausschuss Liturgie berät den Pfarrgemeinderat in liturgischen Fragen und bereitet diesbezügliche Empfehlungen vor. Er plant langfristig, wann in der Gemeinde welche Gottesdienste stattfinden und wer im Einzelnen für welche gottesdienstlichen Aufgaben verantwortlich ist. Er koordiniert die Tätigkeit der für den Gottesdienst Verantwortlichen und begleitet ihr Tun helfend und kritisch. Zum Sachausschuss Liturgie gehören zunächst alle, die aufgrund ihres Amtes oder ihrer Anstellung zur Leitung von oder verantwortlichen Mitarbeit bei Gottesdiensten angestellt sind (es sind jeweils Frauen und Männer gemeint): Gemeindepriester und Diakon, Gemeindereferenten, Küster, Organisten, Chorleiter. Außerdem sollten die Gruppen, die für die Gottesdienstgestaltung von Bedeutung sind, im Sachausschuss Liturgie vertreten sein: Kommunionhelfer, Lektoren, Kantoren, Ministranten, ggf. Vertreter von Vorbereitungsgruppen von Kinder-, Jugend- und Familiengottesdiensten. Darüber hinaus können Gemeindemitglieder, die aufgrund besonderer Kenntnisse und wegen ihres Interesses an der Liturgie Wertvolles beizutragen haben, Mitglieder sein, z. B. Musiker, Lehrer und Leiter von Spielgruppen.
Bezüglich der Leitung des Sachausschusses Liturgie sind diözesane Statuten für die Pfarrgemeinderäte zu beachten. Von der Sache her kann grundsätzlich jedes Mitglied des Sachausschusses Liturgie, das zugleich auch Mitglied des Pfarrgemeinderates ist, den Sachausschuss leiten. Es liegt zwar nahe, dass der Pfarrer als der Erstverantwortliche für den Gottesdienst in der Gemeinde die Leitung des Sachausschusses Liturgie wahrnimmt. Erfahrungen zeigen allerdings, dass dies häufig dazu führt, dass der Sachausschuss eher selten tagt, weil die Anliegen der einzelnen Mitglieder in unmittelbarem Kontakt mit dem Pfarrer abgesprochen werden, und dass aus diesem Grund der breitere Austausch der verschiedenen Mitglieder untereinander weniger zustande kommt. Bewährt hat sich die Lösung, dass ein anderes Mitglied mit der Leitung beauftragt wird und damit für die Einberufung und die Erstellung der Tagesordnung zuständig ist.
Der Sachausschuss Liturgie nimmt vom Pfarrgemeinderat Aufträge entgegen und berichtet ihm. In Fragen, die den Zuständigkeitsbereich anderer Sachausschüsse (z. B. Verkündigung, Ökumene) betreffen, ergibt sich eine Zusammenarbeit mit diesen Ausschüssen. Der Sachausschuss Liturgie gibt Aufträge an gegebenenfalls vorhandene andere Kreise, die an der Vorbereitung und Gestaltung von Gottesdiensten beteiligt sind – wie Vorbereitungsgruppen von Kinder-, Jugend- und Familiengottesdiensten, Lektorenkreise, Kommunionhelferkreise, Ministrantengruppen, Gottesdienstleiterkreise – und begleitet deren Arbeit kritisch.
Wo ein Pfarrer für mehrere Gemeinden verantwortlich ist, kann eine Zusammenarbeit der jeweiligen Sachausschüsse Liturgie zur Absprache von Gottesdienstzeiten und -formen sowie zur gegenseitigen Hilfe nützlich sein.
Dr. Eduard Nagel
Macht
Macht gilt als großes Tabuthema in kirchlichen Kreisen, noch mehr, wenn in einer hierarchisch aufgebauten Kirche demokratische Enklaven bestehen, wie dies das Verbände- oder Rätewesen der Kirche ist. Dann gilt Macht manchmal als unschicklich und unchristlich. Macht ist aber zunächst einmal wertfrei zu sehen, als etwas, das zur Durchsetzung von Interessen und Werten notwendig ist.
In der Arbeit mit Ehrenamtlichen kann man eigentlich nie die „Machtkarte“ ziehen, weil Macht hier nicht durchsetzbar wäre. Macht zu haben heißt im Kontext der Rätearbeit in der Regel, durch gute Argumente, Ideen und eigene Persönlichkeit zu motivieren und zu überzeugen. Der PGR ist keine „macht-freie Zone“ – auch hier wird Macht eine Rolle spielen. Es ist auch von einer Utopie von Machtverzicht in diesem Zusammenhang zu sprechen. Interessant wäre für ein Gremium und die Beteiligten, sich die Machtstrukturen der Kirche und den Umgang mit Macht anzusehen. Ein positiver Umgang mit Macht, die Wertschätzung von Fähigkeiten und Einsatz von Ehrenamtlichkeit, von Zeit, die Menschen einbringen, ist durchaus „macht-voll“, in den Ergebnissen, die erzielt werden können, in dem, was ein PGR in einer Gesellschaft „macht-voll“ in die Pluralität von Interessen und Meinungen einbringt.
„Macht dient dazu, etwas durchzusetzen, auch gegen den Willen anderer.“ So hat dies Max Weber beschrieben. Machtvoller wird es allerdings sein, wenn man sich Verbündete sucht, mit denen man etwas umsetzt, und nicht versucht mit Macht und/oder Gewalt zu einem Ziel zu gelangen – und sei das Ziel noch so edel.
> Leitung
Dr. Gabriele Pinkl